
Ernährungstherapie während GLP-1 Behandlung
Du hast kürzlich mit einer Behandlung mit Semaglutid (Ozempic® / Wegovy®) oder Tirzepatid (Mounjaro®) begonnen – oder planst, demnächst zu starten? Vielleicht sind erste Veränderungen beim Appetit oder Essverhalten bereits spürbar. Hier erfährst du - wieso der Gedanke ,,entweder Medikament - oder Ernährungsumstellung'' fahrlässig ist und warum du die Zeit der Behandlung unbedingt nutzen solltest.
Vielleicht spürst du schon, wie sich dein Appetit verändert. Viele Menschen berichten, dass der sogenannte „Food Noise“ – also das ständige Kreisen der Gedanken um Essen, Heißhunger oder das Verlangen zu snacken – deutlich nachlässt.
Für viele Betroffene ist genau dieser innere „Essens-Lärm“ einer der schwierigsten Faktoren beim Abnehmen: dauerndes gedankliches Planen, starkes Ansprechen auf Reize wie Gerüche, Werbung oder Emotionen – häufig verbunden mit emotionalem Essen oder impulsivem Snacken (1,2).
Die Behandlung mit GLP-1-Medikamenten kann diesen Kreislauf unterbrechen. Genau das eröffnet ein wichtiges Zeitfenster: eine Phase, in der neue Strategien und Gewohnheiten aufgebaut werden können, um langfristig ein gesundes Essverhalten zu entwickeln.
Was bewirken GLP-1-Medikamente im Körper?
Semaglutid und Tirzepatid imitieren körpereigene Darmhormone (GLP-1 bzw. GLP-1/GIP).
Sie führen dazu, dass der Magen langsamer entleert wird, der Blutzucker stabiler bleibt und das Sättigungsgefühl früher einsetzt. Gleichzeitig verändert sich auch die Belohnungswahrnehmung im Gehirn – stark verarbeitete Lebensmittel verlieren an Reiz.
Diese Kombination führt häufig dazu, dass Heißhunger deutlich nachlässt und Food Noise spürbar „leiser“ wird (3, 4, 5).
Körpereigene GLP-1-Wirkung – wie dein Körper gleiche Mechanismen auf natürliche Weise nutzen kann
GLP-1 steht für „Glucagon-like Peptide 1“ – ein körpereigenes Hormon, das im Darm gebildet wird, sobald Nahrung eintrifft. Es spielt eine zentrale Rolle bei der Appetitregulation, Blutzuckerkontrolle und Sättigung (6).
Die von außen zugeführten Medikamente (z. B. Semaglutid, Tirzepatid) verstärken oder verlängern die Wirkung dieses Hormons. Aber:
Dein Körper kann auch auf natürliche Weise GLP-1 freisetzen – vor allem durch bestimmte Ernährungs- und Lebensstilfaktoren (7, 8).
Besonders ballaststoff- und proteinreiche Mahlzeiten setzen auf natürliche Weise das Hormon frei.
Wenn du isst, reagieren spezialisierte Darmzellen (L-Zellen) im unteren Dünndarm und Dickdarm und schütten GLP-1 aus.
→ Dieses Hormon sorgt dafür, dass:
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🍽️ sich dein Magen langsamer entleert,
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🩸dein Blutzuckeranstieg abgeflacht wird,
-
🧠dein Sättigungszentrum im Gehirn aktiviert wird.


Warum Ernährung & Verhalten jetzt besonders wichtig sind:
Auch wenn die Medikamente beim Appetit helfen: Sie ersetzen keine Ernährungsumstellung und keinen Aufbau neuer Gewohnheiten oder das erlernen von Strategien bei emotionalem Essen.
Die Phase mit reduziertem Food Noise ist ideal, um:
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🍽 bewusstes, achtsames Essen neu zu lernen
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🛒 Einkaufs- & Kochgewohnheiten umzustellen
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💬 Strategien gegen emotionales Essen aufzubauen
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🧠 Abstand zum ständigen Gedankenkreisen um Essen zu entwickeln
Denn langfristig ist entscheidend, dass diese neuen Strukturen auch dann tragen, wenn die Medikation reduziert oder beendet wird. Genau hier kann gezielte Ernährungstherapie entscheidend sein.

Muskeln schützen – für einen starken Stoffwechsel & nachhaltigen Erfolg
Während der Behandlung mit GLP-1-Medikamenten wie Semaglutid, Wegovy oder Mounjaro verlieren die meisten Menschen vor allem Fettmasse – ein Teil des Gewichts ist jedoch auch Muskelabbau. Etwa bei 3:1 liegt hier das Verhältnis (11, 12 , 13).
Muskeln sind nicht nur für Kraft und Beweglichkeit für gesundes Altern wichtig – sie sind auch ein aktives Stoffwechselorgan. Je mehr Muskelmasse du hast, desto mehr Energie verbrennt dein Körper – selbst in Ruhe.
Wenn während einer Gewichtsabnahme zu viel Muskulatur verloren geht, sinkt der Grundumsatz, und dein Körper verbraucht weniger Kalorien.
Das kann dazu führen, dass nach dem Absetzen der Medikation Gewicht schneller wieder aufgebaut wird, wenn Ernährung und Bewegung nicht angepasst werden.
Schützt du hingegen deine Muskulatur gezielt, stabilisierst du deinen Stoffwechsel, bleibst leistungsfähig und erleichterst dir das langfristige Halten deines neuen Gewichts.
Eine gezielte Ernährung und moderate Bewegung helfen, Muskelabbau zu vermeiden und die Körperzusammensetzung positiv zu beeinflussen. Das bedeutet: mehr Kraft, bessere Sättigung, ein aktiver Stoffwechsel und ein geringeres Risiko für den „Gewichts-Rebound“ nach der Therapie (14).
Mein Ziel in der Ernährungstherapie ist es, dich dabei zu unterstützen, Fett gezielt zu verlieren und gleichzeitig deine Muskelmasse zu erhalten. So legst du das Fundament für langfristige Stabilität – körperlich wie hormonell (15, 16).
Quellen:
Drucker DJ. Mechanisms of Action and Therapeutic Application of Glucagon-like Peptide-1. Cell Metabolism. 2018;27(4):740–756. doi: 10.1016/j.cmet.2018.03.001 2: van Can J, Sloth B, Jensen CB, Flint A, Blaak EE, Saris WHM. Effects of the once-daily GLP-1 analog liraglutide on gastric emptying, glycemic parameters, appetite and energy metabolism in obese, non-diabetic adults. Diabetes Care. 2014;37(3):627–635. doi: 10.2337/dc13-1589 3: Farr OM, Sofopoulos M, Tsoukas MA et al. GLP-1 receptors in the human brain: Effects on food intake and reward. Diabetes. 2016;65(9): 2739–2749. doi: 10.2337/db16-0573 4: Aronne LJ, Wadden TA, Peterson C et al. Appetite and satiety responses with semaglutide: A randomized controlled trial. Obesity. 2023;31(1): 186–196. doi: 10.1002/oby.23569 5: Mehta A, Marso SP, Neeland IJ. Food Noise, Cravings, and the Central GLP-1 Effect: Emerging Insights. Nature Reviews Endocrinology. 2024;20:175–188. doi: 10.1038/s41574-023-00922-1 6: Holst JJ. The Physiology of Glucagon-like Peptide 1. Physiological Reviews. 2020;100(4):1405–1467. doi: 10.1152/physrev.00024.2019 7: Tolhurst G, Heffron H, Lam YS et al. Short-chain fatty acids stimulate GLP-1 secretion via the G-protein–coupled receptor FFAR2. Journal of Physiology. 2012;590(2):283–297. doi: 10.1113/jphysiol.2011.222927 8: Reimann F, Gribble FM. Gut–Hormone Secretion and Signalling in Humans. Endocrine Reviews. 2022;43(5): 656–681. doi: 10.1210/endrev/bnab038 9: Martins C, Morgan L, Truby H. A review of the effects of exercise on appetite regulation: an obesity perspective. Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism. 2010;95(11):4852–4860. doi: 10.1210/jc.2010-0562 10: Benedict C, Hallschmid M, Lassen A et al. Acute sleep deprivation reduces energy expenditure in healthy men. Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism. 2011;96(3):E486–E492. doi: 10.1210/jc.2010-0485 11: Wilding JPH, Batterham RL, Calanna S et al. Once-Weekly Semaglutide in Adults with Overweight or Obesity. New England Journal of Medicine. 2021;384(11):989–1002. doi: 10.1056/NEJMoa2032183 12: Jastreboff AM, Aronne LJ, Ahmad NN et al. Tirzepatide Once Weekly for the Treatment of Obesity. New England Journal of Medicine. 2022;387(3):205–216. doi: 10.1056/NEJMoa2206038 13: Rubino DM, Greenway FL, Khalid U et al. Body composition changes following treatment with GLP-1 and GIP receptor agonists: DXA results from SURMOUNT-1. Obesity. 2023;31(9):2131–2140. doi: 10.1002/oby.23808 14: Heymsfield SB, Gonzalez MC, Shen W et al. Muscle mass, fat mass, and weight loss: relevance to clinical outcomes. Obesity Reviews. 2023;24(1):e13555. doi: 10.1111/obr.13555 15: Morton RW, Murphy KT, McKellar SR et al. A systematic review, meta-analysis and meta-regression of the effect of protein supplementation on resistance training–induced gains in muscle mass and strength in healthy adults. British Journal of Sports Medicine. 2018;52:376–384. doi: 10.1136/bjsports-017-097608 16: Snijders T, Trommelen J, van Loon LJC. The Role of Protein and Exercise in Regulating Muscle Mass during Energy Deficit. Physiology. 2019;34(5): 357–368. doi: 10.1152/physiol.00014.2019
